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Brandschutz im Theater



Eine Polemik.

von Wesko Rohde

Natürlich können wir einfach so weitermachen. Wir können, nachdem der Motor kurz zum Stillstand gekommen ist, den Karren anwerfen und alles so machen wie vorher, auch wenn wir wissen, dass es sich hierbei um mutloses Weiterwursteln und nicht um die bahnbrechende Wende handelt. Wir können aber auch kurz innehalten, Dinge hinterfragen und unser Handeln dem Stand der Technik und den allgemeinen Fortschritten menschlichen Zusammenlebens anpassen. Wir können das Nötige dem Möglichen vorziehen und dabei das Wichtige fördern.

Theaterbauten sind teuer. Überschlagen wir die Zahlen von Prognosen und wir sind bei größeren Vorhaben bereits an oder über der Milliardengrenze. Warum sind Bauwerke aus Beton, Stein und Stahl so teuer? Die Bauleute verdienen doch nicht besonders gut.

Rechnet man allein alle Materialen zusammen oder versucht, die Summe auf die Quadratmeter eines Gebäudes umzulegen, entstehen nicht selten aberwitzige Beträge von mehreren Tausend Euro. Reicht problemlos für Flächen aus Blattgold. Sie werden besonders teuer, weil wirtschaftsorientierte Regelungen Einbauten von (Brandschutz-)Technik erfordern, die oftmals nutzlos, meistens aber kostenintensiv und überdimensioniert ist.

Die regelmäßigen Wartungen der Technik sichern den Unternehmen die Einkünfte und übersteigen die hohen Einbaukosten durch stetige Prüfungen bei Weitem. Ein sich selbst füllender Futtertrog.

Fragestellungen wurden bis dato mit der Argumentation abgeschmettert, für den eventuellen Tod vieler Menschen aus wirtschaftlichen Erwägungen verantwortlich zu sein. Lieber ein geflutetes Theater als Tote. Stimmt! Nur: Die einzigen Toten auf dieser Strecke sind in den letzten 50 Jahren vernünftige Argumente.

Fakten

Befassen wir uns also mit den Fakten:

  • Gebäude bestehen weitestgehend aus nichtbrennbaren Materialien: Beton, Stahl, Glas, (selten andere erneuerbare Materialen, die leider viel zu wenig verarbeitet werden, eine andere, aber erforderliche Betrachtung)
  • Technische Einbauten verringern ihre Brandlasten, Bus-Systeme (ein Kabel für mehrere Aufgaben) bündeln die Informationen und Übertragungsmöglichkeiten, für die früher massive Kabelbäume nötig waren
  • Technische Überwachungssysteme funktionieren flächendeckend und alarmieren Menschen und Feuerwehr schnell
  • Feuerwehren sind innerhalb weniger Minuten vor Ort und retten oder beginnen mit Löschangriffen
  • Fluchtwege sind gut ausgeschildert und ausreichend vorhanden/Gebäude sind schnell und effektiv geleert
  • Dekorationen werden meist aus schwer entflammbaren Materialien erstellt/Grundkonstruktionen inzwischen aus industriellen Basismodulen
  • Mitarbeiter sind mehrheitlich gut geschult

Das beim Vorhandensein einer Löschanlage auch normalentflammbare Materialen verwendet werden dürfen, erweitert womöglich die Bandbreite der Anwendungen, aber die Hersteller konfektionieren Stoffe und Dekomaterialien meist ohnehin gleich in der schwer entflammbaren Variante und vertreiben diese. Die Anwender greifen darauf zurück. Man ist dann auf der sicheren Seite. Verantwortungübernehmen vor Angstmache.

Eine Panikindustrie hat sich gut eingerichtet. Die Menschen wollen ihr Leben und ihren Wohlstand genießen und sind ängstlicher als Generationen vor uns. Gegenseitig beflügelt man sich und irrationale Ängste werden in zahlreichen Seminaren mit diversen Horrorszenarien unterstützt. Alles das steht in keinem reellen Verhältnis zu den Gefahren, die uns umgeben. Einen absolut sicheren Zustand wird es nicht geben.

Wer von der Angst der Menschen lebt, hat an Vernunft kein Interesse. Wir brauchen eine neue Aufklärung: Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. (Kant)

Erfreuliche Änderung

Wer ängstlich ist (dazu gehört der Autor) oder besondere Anforderungen an ein Gebäude sieht, kann einen Melder oder eine entsprechende Anlage einbauen. Die individuelle Betrachtung ersetzt das flächendeckende Handeln nach der gleichen Maxime und legt Anwendungen fest. Wohlgemerkt, hier nur für private Bauherren. Aber immerhin. Theaterbauten gelten als schwierig. Kein Wunder bei 50 unterschiedlichen Berufen und ganz besonderen Anforderungen, vom hochtechnischen Probenbetrieb zur künstlerisch innovativen Premiere. Ein Gebäude rings um eine oder viele Bühnen. Allein die Wegeführungen sind eine Herausforderung. Repertoirebetrieb, benötigte Lagerflächen und viele Menschen in Kunst und Technik mit unterschiedlichen Ansprüchen.

Die handelnden Bauherren sind gelähmt in ihren scheinbar unüberwindlichen Strukturen. Das Einhalten von Regeln steht vor dem Sinn und dem Ziel einer Maßnahme. Dass man den Kölnern seit Jahren ihre Oper vorenthält, ist keinem Menschen mit klarem Verstand zu vermitteln. Der Irrsinn wird nicht direkt benannt, man trifft sich vor Gericht, anstatt die Ausführenden in Grund und Boden zu lachen.

Bayern geht mit der Änderung der Hochbaurichtlinien am 01.01.2020 einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung und verlangt eine nutzergerechte Bedarfsplanung vor dem Beginn einer Maßnahme. Eine erfreuliche Änderung der Richtung, auch durch unsere DTHG-Symposien entstanden. Die gebeutelten Theaterleute können so zu Handelnden werden, nicht zu Opfern der Prozesse.

Ein Beispiel eines anderen, ganz besonderen Kulturorts: 300.000 Bücher sind insgesamt beim Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar vernichtet oder beschädigt worden. Das Feuer hatte verheerend gewütet, der Schaden war enorm. Die Löscharbeiten setzten Unmengen an Wasser frei.

Die „FAZ“ schrieb seinerzeit: „Weitere 50.000 im Rokoko-Saal lagernde Bücher konnten gerettet werden; allerdings sind 40.000 davon durch Löschwasser teilweise schwer beschädigt und sollen tiefgefroren werden, um sie vor dem Zerfall retten.“ Die Löscharbeiten hatten einen wertvollen Teil der Sammlung beschädigt, weil die Feuerwehr die Brandausbreitung verhindern musste. Eine Notwendigkeit. Hätte man durch die Anwendung moderner Technologien zur Brandbekämpfung die Ausbreitung des Feuers und den erforderlichen Löschbedarf verringern können? Die Frage ist bereits Teil der Antwort.

Individuelle Betrachtung und Prüfung nötig

Ein kulturelles Erbe von großer Bedeutung muss anders betrachtet und vor allem im Einzelfall geprüft und von Fachleuten bewertet werden. Die zuständige Brandschutzplanung muss um die Risiken, die Werte und Inhalte einen Gebäudes wissen, will sie eine realistische Bewertung etwaiger Löscherfordernisse vornehmen. Das kann im Zweifel sogar bedeuten, dass eine noch nicht arrivierte Löschanlage zum Einsatz kommt bzw. ganz davon abzusehen ist, wenn die Werte nicht ausreichend vor eintretendem Löschwasser geschützt werden könnten oder die Schutzziele anderweitig erreicht werden können.

In Theatern und Kulturbauten sind nicht selten Anlagen im Wert von mehreren Millionen Euro zu finden. Die ergeben sich aus Lichttechnik, Ton- und Videotechnik sowie den Kommunikations- und Sicherheitsanlagen der Veranstaltungsorte.

Nicht wenige der Häuser sind denkmalgeschützt oder prominente, bauzeitliche Kulturgüter besonderen Rangs. Sie erzählen von den Höfen der Vergangenheit, den Städten und den Bürgerschaften und ihrer Entwicklung bis hin zum modernen Kommunikations- und Veranstaltungsgebäude. Digitalisierung ist natürlich gerade in diesen Bereichen ein brandaktuelles Thema. Klima- und Heiztechnik wird und soll in deren Zuge zu vollautomatisierten Steuerungen übergehen. Brandmeldetechnik wird es sogar in viel stärkerem Maße betreffen. Sie muss digital direkt vernetzt werden und der Feuerwehr komplexe und umfassende Einsichten über intelligente Überwachungssysteme bieten.

Brandmelder, die im Alarmfall zeitgleich ein Bild der entsprechenden Meldersicht übermitteln, sind beim Stand heutiger Technik lediglich eine zusätzliche Anforderung oder Erweiterung kommunikativer Systeme. Das kann zukünftig die steigenden Kosten für Brandschutz im Kulturbau signifikant senken helfen, ohne das Sicherheitsniveau zu senken. Schonende, intelligente Technologien müssen mit einer parallel verlaufenden Überprüfung bestehender Gesetze und Normen stattfinden.

Anwendung neuer Technologien

Aktuell wird oft konventionelle Löschtechnik eingebaut, die mit der Vorhaltung großer Wassermengen auch eine Herausforderung für den Bau eines Gebäudes oder den Einbau in ein saniertes Objekt darstellen. Das kann im Einzelfall sogar notwendig sein, muss aber nach Sachlage für das einzelne Gebäude entschieden werden. Es gibt kein anwendbares Schema F für die unterschiedlichen Kulturbauten. Das sollte die Herangehensweise sein.

Sprühflutnebellöschanlagen kommen mit wenig Wasser aus. Die Anna Amalia Bibliothek wird nach dem verheerenden Brand durch eine solche Anlage geschützt. Sie wurden auch bereits in denkmalpflegerisch relevanten Theatern wie dem Schlosstheater in Celle und dem Oldenburger Theater eingebaut. Mit einem Druck von 200 bar werden deutlich geringere Mengen des sonst benötigten Wassers im Raum so vernebelt, dass ein Feuer in wenigen Minuten gelöscht werden kann. Der Schaden ist nicht schlimmer als eine Fahrt mit dem Fahrrad bei Nieselregen. Anlagen werden so ohne Qualitätsverlust umfassend geschützt und den hohen Werten Rechnung getragen, was eine höhere Einstiegsinvestition durchaus rechtfertigen würde, zumal Wartungskosten in geringerem Maße anfallen. Diese werden bei öffentlichen Gebäuden oft aus einen anderen Topf bezahlt und daher gelegentlich (erfreulicherweise tendenziell seltener) vernachlässigt. Dabei liegt der Anschaffungspreis moderner Anlagen dieser Art im Schnitt nur 10 bis 20 Prozent über den Preis herkömmlicher Systeme.

Eine Sprühflutnebellöschanlage ist nur ein Beispiel für die Anwendung neuer Technologien, die mit wenig Wasser auskommen. Um Werte zu schützen, die sich Planer, die diese spezielle Technik und die besondere Logistik der Kulturorte nicht kennen, leider fast nie im ihren vollen Umfang vorstellen können. Auch partielle Anwendungen in besonderen Räumen oder in technischen Bereichen mit hohen Werten sind möglich.

Hochwertige innovative Löschanlagen schützen Werte in höchstem Maße. Sie können partiell eingesetzt werden. Die flächendeckende Anwendung ist nur dort sinnvoll, wo die Gefahr eines Feuers besonders hoch ist, elektrische Betriebsräume zum Beispiel. Dort tut es aber eventuell auch ein Sprinkler, der bei entstehender Hitze Löschwasser auslöst. Diese Anlagen sind wartungsfreundlicher, dabei ausreichend und schützen, wenn sie mit der modernen Nebeltechnik ausgestattet sind, noch die bestehenden Werte.

Automatische Löschanlagen beispielsweise haben in Theatern wenig Sinn: Die Schäden, die durch die unbeabsichtigte Auslösung von Anlagen in letzter Zeit entstanden sind, überragen die Schäden durch Brände bei Weitem.

Wichtigstes Schutzziel ist die Unversehrtheit der Menschen im Gebäude. Sie müssen schnell evakuiert werden können. Alles das ist auch ohne aufwendige und automatisierte Technik möglich.

Fazit

Erfreulicherweise sind Theater sehr sichere Einrichtungen. Das liegt am gut geschulten Personal, dem Wegfallen von Brandlasten durch Vermeidung sowie der stetigen Verbesserungen der Brandmeldung. Im äußerst seltenen Brandfall ist die Feuerwehr in wenigen Minuten vor Ort und leitet einen Löschangriff ein. Das bedeutet, dass wir Paradigmen neu feststellen müssen und Hergebrachtes bei aller Verantwortung überdenken müssen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Die (Schutz-)Ziele sind zu berücksichtigen, die Menschen, die Werte und die Nutzungen der Häuser.

Während einer Vorstellung schauen die Augen von drei Feuerwehrleuten und 600 Zuschauern auf eine brennende Kerze, während im Keller eine Beleuchtungsanlage aus den Siebzigern mühsam ihren Dienst versieht. Wovon dürfte ein Feuer ausgehen und was sollte überwacht und ggf. mit welchen Mitteln gelöscht werden können?

Um die einmalige Kulturlandschaft unseres Landes zu erhalten, müssen Prioritäten neu gesetzt werden. Wir müssen Realitäten annehmen und unser Ingenieurswissen im Dienste der Kulturdenkmäler anwenden. Vor allem aber müssen wir Regeln machen, die den Menschen, dem Gemeinwohl und den Kulturgütern dienen und diese regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen. Regeln, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind umgehend zu entsorgen.

Das Bauen großer Kulturgebäude muss wieder möglich sein, ohne sich jahrelang öffentlich lächerlich zu machen und Kosten in abstruse Höhen zu katapultieren. Kulturorte sind vielleicht die wichtigsten Orte einer aktiven Stadtgesellschaft. Bau und Erhalt sind vornehmste Aufgaben eines modernen und an den Bürgerschaften orientierten Gemeinwesens. Also: Habt den Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen!

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